Deutsche Erstaufführung „Simplicius“ von Johann Strauss

Premierenkritik

Orpheus – Besprechung

Der Neue Merker – Wien

Artikel – Prof. Nischkauer

Dank – Dr. Eduard Strauss


Neufassung von Ralph Braun

Der „Simplicius“ von Johann Strauss (Sohn) – Victor Leon (Die lustige Witwe, Land des Lächelns…..) erlebte am 19. Juni 2004 im Landestheater Coburg in einer von Konzertmeister Ralph Braun erstellten Neufassung seine deutsche Erstaufführung. Die großartige Strauss’sche Musik und der stets aktuelle Leon’sche Stoff reizten ihn, den „Simplicius“ neu zu fassen, dieses auch deshalb, weil von dem Leon’schen „Simplicius“ keine eindeutige, rekonstruierbare, endgültige Fassung existiert.

Um zum besseren Verständnis des Werkes, welches weder Operette noch Oper ist, beizutragen, entwickelte er für die Coburger Fassung eine neue Idee der Darstellung, indem er den einzelnen Akten jeweils eine kurze Schauspielszene voranstellt. In diesen Szenen sollen Johann Strauss, dessen in Coburg angetraute Ehefrau Adele und Victor Leon zeigen, welche Idee dem Werk zugrunde liegt.

Nach 105 Jahren wurde das Stück letztmalig 1999 im Opernhaus Zürich aufgeführt (Zweitfassung, 1888). Die Regie hatte mit dem „Simplicius“ ein Antikriegsstück auf die Bühne gestellt.

Nach gründlichen Recherchen ist sicher von der Erkenntnis auszugehen, dass der einstige Philosophiestudent Leon und Johann Strauss dem Werk „Simplicius“ die Entscheidung hin zur Liebe als stärkste, einende und Frieden spendende Kraft zugrunde legten. Dieses wollten sie in einem ernstzunehmenden, heiteren Spiel umgesetzt wissen. Somit sieht man in Coburg im „Simplicius“ nicht den Krieg, sondern den Frieden und Wege zu diesem im thematischen Vordergrund des Werkes. Dieses enthält, obwohl im Dreißigjährigen Krieg spielend, nicht eine einzige Kriegszene!
Aus Coburg schrieb Strauss am 1. Juli 1887 an seinen Agenten Gustav Lewy in Wien: „Sein (Leons) Simplicius ist als Stoff das hervorrangendste aller Bücher der Neuzeit. Was mich betrifft bin ich in den Stoff verliebt. Die Operette wird im Ganzen viel heiterer in musikalischer Beziehung als der Zigeunerbaron behandelt“.
In der Figur des heranwachsenden Simplicius selber sowie den ihn umgebenden verschiedenen Spiel-Szenen wird die Frage behandelt: Wie kann man mit dem Leben umgehen, um Konflikte, welche bis hin zum Krieg führen können, zu vermeiden? Der Lösungsweg liegt wohl zum einen im Treffen von weisen Entscheidungen, die von der Liebe getragen sein sollten, zum anderen im Erlernen des friedlichen Miteinander-Lebens. Dieses Lernen kann und muss zuvorderst in den elementaren Lebensbeziehungen Eltern-Kind (Geschwister) und Mann-Frau geschehen. Nur die Liebe innerhalb dieser Beziehungen ermöglicht dies. Die sehr melodiöse, heitere und idealistische Musik unterstreicht eindeutig diesen Interpretationsansatz. Im Hintergrund will Strauss als helfende, höhere Macht das Donauweibchen wissen.

„Habe ich im Zigeunerbaron dem ungarischen Rhythmus Rechnung tragen müssen, so war ich diesmal dem Wienerischen Genre (aus Absicht) zu huldigen – eifrigst bestrebt. Es muss auch einmal etwas Wienerisches in meiner Bühnenarbeit auftauchen – zumal ich im Vorspiel und in mancher Situation Gelegenheit finden musste – einen ernsteren Ton anzuschlagen.“
(J. Strauss an G. Lewy, Coburg, 1.Juli 1887)

Bei der Neufassung wurde größter Wert auf möglichst hohe Authentizität und einen flüssigen, leicht verständlichen und unterhaltenden Handlungsablauf gelegt. Die einst komplizierte, umfangreiche Handlung wurde, den Aussagen Leons folgend, auf das Wesentliche komprimiert. Der Absicht Leons, nach der Ouvertüre ein Vorspiel und anschließend das eigentliche Spiel folgen zu lassen, wurde wieder Rechnung getragen. (Überarbeitungen bestanden jeweils aus 3 Akten ohne Vorspiel). Die Musiknummernfolge ist weitgehend wieder der ursprünglichen Fassung angeglichen.
Neben den Quellen der verschiedenen „Simplicius“- Aufführungsfassungen wurde vor allem auf das im Juli 1887 dem Coburger Herzog Ernst II. geschenkte und gewidmete, handschriftliche frühe Libretto des „Simplicius“ (heute Landesbibliothek Coburg) zurückgegriffen. Es weicht gravierend vom Uraufführungslibretto ab und es gibt sehr interessante Aufschlüsse über Leons ursprüngliche Absichten für den „Simplicius“.

Nach dessen Uraufführung im Dezember 1887 und einer Serie von 30 Vorstellungen wurde das Werk 1888 und 1894 noch zweimal von anderen Autoren (Ludwig Dóczi und Carl Lindau) zusammen mit Johann Strauss überarbeitet und in Prag, Budapest (jeweils 1888) und zuletzt wieder in Wien (1894) mit mäßigem Erfolg aufgeführt. Die Handlung, die Texte sowie die Musikfolge wurden verändert und einzelne Nummern herausgenommen.
Die von Ludwig Dóczi und Strauss erstellte Zweitfassung erschien 1888 im Druck.

Die Fassung der Uraufführung lässt sich heute musikalisch nicht mehr rekonstruieren, da die autographe Partitur nur fragmentarisch vorhanden ist. Das 1997 im Nachlass von Victor Leon wieder aufgefundene Stimmenmaterial aus dem Theater an der Wien war seinerzeit für die Drittfassung eingerichtet worden.
Das Uraufführungslibretto des „Simplicius“ (Zensurlibretto) stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gänzlich von Victor Leon. Im Verlauf der gemeinsamen Arbeit hatten sich große Differenzen zwischen dem 62jährigen „Walzerkönig“ und dem jungen, später verunsicherten Leon entwickelt. Auf Strauss’ Betreiben wurde Leon wohl ein „erfahrenerer“ Librettist zur Seite gestellt, welcher dieses Libretto vermutlich mitverfasste.
„Willst Du mir einen Gefallen erweisen – so bitte ich Dich Jauner aufzusuchen und ihn zu veranlassen dass er Leon bestimmt – sich einen Mitarbeiter zu wählen … Auch fehlt es im 2tn Akt noch an logischer Verbindung. …. Daher ist’s notwendig, daß schon jetzt dafür Sorge getragen wird, (durch Beihilfe eines Mitarbeiters) zu kürzen, wo es möglich – Dieser Kerl Leon lässt sich nichts sagen – ich habe ihm einen sehr groben Brief geschickt – habe noch keine Antwort auf diesen groben Schreibebrief – ich glaube er schmollt.“ (Strauss an Lewy, Coburg, 1.Juli 1887)
Der „Simplicius“ war das zweite Bühnenwerk des später überaus erfolgreichen Victor Leon.

Nicht nur von seiner Musik her – sie zeigt den unbekannten Strauss einmal ganz anders als gewohnt aber trotzdem begeisternd und berührend – sondern vor allem auch als Gesamtwerk dürfte der „Simplicius“ durch die Coburger Darstellungsweise neu zu entdecken sein.