Bratislava & Coburg im Zeichen von Johann Strauss

In der 25. Woche 2004 fanden in Preßburg und Coburg Ereignisse statt, die für die Straussianer Europas bedeutungsvoll waren. Am 18. Juni konstituierte sich die Slowakische Strauss Gesellschaft im Zichyho palac unter dem Vorsitz von Mirolav Dvorsky. Dr. Eduard Strauss (Urgroßneffe des gleichnamigen Komponisten) begrüßte das neue Mitglied im Kreise der europäischen „Straussfamilie“ und wies darauf hin, dass seine Idee eines Europäischen Johann Strauss (Bühnenwerke) Festivals nunmehr konkrete Gestalt angenommen hat.

In Coburg fand am 19. Juni die Eröffnung des Europäischen Johann Strauss Bühnenwerke Festivals im Landestheater statt. Für den Initiator des Projektes, Ralph Braun, kam nur ein Werk von Johann Strauss in Frage, nämlich Simplicius (Libretto von Victor Léon), welches Johann Strauss größtenteils in Coburg komponierte – seine Hochzeit mit Adele fand 1887, nachdem er die Staatsbürgerschaft von Sachsen–Coburg und Gotha angenommen hatte, in Coburg statt.

Unmittelbar vor Weihnachten 2003 besuchte mich Ralph Braun in Wien. 3 Tage – vor allem jedoch 2 Nächte lang – diskutierten wir in meinem „Studierstübchen“ über den Simplicius und über die Möglichkeiten, diesen zur Aufführung zu bringen. Eines war Braun klar, dass ein Nachspielen der Züricher Opernhaus-Fassung 1999, anlässlich des 100. Todestages von Johann Strauss, für Coburg nicht in Frage kommt. Ihm schwebte eine konzertant-szenische Inszenierung vor. Das Grundkonzept des Züricher Opernhauses war eine „Antikriegs-Oper“ auf die Bühne zu bringen. Inspiration hiezu war der „Galgenbaum“ aus dem Zyklus „Misères de la Guerre“ (Schrecken des Krieges) des französischen Stechers und Radierers Jacques Callot. Brauns Vorstellungen hinsichtlich der Realisierung in Coburg deckten sich mit dem Wollen von Strauss und Léon, dass der Simplicius „ein ernst zu nehmendes, heiteres Spiel mit entsprechender Musik“ werden sollte. Der ursprüngliche Gedanke, die musikalische Erstfassung des Theaters an der Wien auf die Bühne zu bringen, musste verworfen werden, da sie nicht mehr vollständig rekonstruierbar ist. Wie in Zürich musste auch für Coburg die ungarische Fassung (Materialen liegen in der Széchényi Bibliothek in Budapest auf) herangezogen werden. Selbstverständlich war für Braun, dass das handgeschriebene Libretto, das Léon Herzog Ernst II. widmete und schenkte (im Besitz der Landesbibliothek Coburg) die Grundlage für seine Librettofassung bildet. Der von Braun gekonnt angesetzte „Streichstift“ (mehr als 50% der Prosa wurden weggelassen) führte dazu, dass die Strauss-Léon’sche Konzeption nach 117 Jahren erstmals auf einer Bühne realisiert wurde. Der Einfall, Theater auf dem Theater zu spielen (vor allem im Vorspiel), war für das Publikum eine – gewollte – Überraschung. Üblicherweise beginnt eine Operette oder Oper mit einer Introduktion oder einer Ouverture. Die Braun’sche Inszenierung beginnt mit dem Walzer „Wiener Frauen“, Opus 423, den Strauss in Coburg komponierte. Die dem Vorspiel und den beiden Akten vorgelagerten Schauspielszenen mit Adele und Johann Strauss sowie Victor Léon in einem Salon in Coburg, stimmen die Zuhörer, da sie über die Entstehung des Simplicius Wissenswertes unterhaltend erfahren, auf die nachfolgenden Darbietungen ein.

Aus der Betrachtungsweise eines Wieners, der sich intensiv musikwissenschaftlich mit den Werken von Johann Strauss auseinandersetzt, ist über die gelungene Aufführung des Simpliciusrückblickend zu berichten:
Vorweg ist dem Rezensenten des „Der neue Merker“ vorbehaltlos zuzustimmen: „In dieser Neufassung (des Coburger Simplicius – deutsche Erstaufführung) harmoniert die Strauss’sche Musik mit der Handlung“. Die Interpretation der Strauss’schen „Operetten“ Musik durch Orchester, Sänger und Chor unter der Stabführung des Generalmusikdirektors war vorzüglich. Die szenische Gestaltung bestach durch ihre Einfachheit. Beeindruckend war die auf die Handlung voll eingehende Lichtgestaltung. Der Coburger Simplicius war unterhaltende Operette ohne Kitsch, obwohl er mit einer dreifachen Happyend „Liebesg’schicht“ endet.

Es ist dem Landestheater für diese Inszenierung zu gratulieren, Ralph Braun zu danken, einerseits für seine Hartnäckigkeit andererseits für seine künstlerische Konzeption. Rudolf Potyra geht in seiner Rezession in der „Neuen Presse“ vom 21. Juni auf die Vorgeschichte zur deutschen Erstaufführung ein und meint, dass die Art und Weise dieser Coburger Inszenierung reale Zukunftschancen für die Aufführungen von Operetten aufzeigt. Dem ist zuzustimmen.

Prof. Nischkauer